|
TEIL 1
Zum Wort bzw. Begriff: „Flamenco“ heißt auch Flame, flämisch, Flamingo. Die „Huevos a la flamenca“ können „Eier auf flämische Art“, aber auch „Eier auf Zigeunerart“ sein. Das bleibt noch zu klären.
Der Name Flamenco für die Musikgattung kommt mglw. aus dem Arabischen.
Der englische Begriff „Folklore“ hat sich auch im spanisch-portugiesischen Sprachraum für „Volkskunde“ eingebürgert, soweit sie Brauchtum, Volksmusik, Volkstrachten u.a. bedeutet. Für die musikalische Folklore der Iberischen Halbinsel und Lateinamerikas können wir natürlich guten Gewissens auch „Volksmusik“ sagen, obwohl manche Leute bei „Volksmusik“ die Nase rümpfen, weil sie vielleicht nur die „volkstümliche Musik“ aus dem „Musikantenstadl“ kennen.
Zum „Flamenco“ als solchen: Das Thema soll hier nicht polemisch oder kontrovers behandelt werden, sondern sachlich, wie es ihm gebührt.
Um es mir nicht von vornherein mit allen Flamenco-Fans („aficionados“) zu verderben: Ich habe grundsätzlich nichts gegen den Flamenco. Und ich werde mich hüten, mich mit der Flamenco-Lobby oder gar Flamenco-Mafia (Ja, die gibt es!) anzulegen. Es ist mir auch nicht entgangen, daß die UNESCO im Jahre 2010 den Flamenco zum „Immateriellen Kulturerbe der Menschheit“ erklärt hat.
Aber ich will auch hier zunächst einmal etwas weiter ausholen. Spanien hat bekanntlich 17 Autonome Gemeinschaften, die weitgehend mit den früheren historischen Regionen übereinstimmen. Die Veränderungen seit Einführung des Autonomie-Statuts oder der Autonomie-Statuten Mitte der Siebziger sind wohl ebenso den meisten bekannt (geworden). Aus Altkastilien wurde Castilla-León, aus Neukastilien Castilla-La Mancha. Dabei haben sich einige Provinzen als eigene “Autonomías“ oder „Comunidades“ verselbständigt. Die altkastilische Atlantikprovinz Santander, für uns natürlich nicht „Santánder” (auch “La Montaña” genannt), wurde zu Cantabria, Logroño zu La Rioja.
Madrid ergab eine eigene „Comunidad“, neben ein paar anderen Verschiebungen in Neukastilien: Albacete gehörte früher zu Murcia, das heute ebenfalls eine „comunidad uniprovincial“ ist, also eine Comunidad, die nur aus einer einzigen Provinz besteht, wie eben Cantabria und La Rioja, neben Asturien, Navarra, Madrid und Murcia. Andere Großregionen blieben dagegen unverändert: Galicien, das Baskenland, Aragonien, Katalonien, Valencia, die Extremadura, die Inselregionen und Andalusien mit seinen 8 Provinzen. Die einzige Veränderung hier: Die Enklave Ceuta, für uns natürlich nicht „Ceúta“, gehörte früher zur Provinz Cádiz, Melilla zu Málaga (leicht zu merken: C zu C, M zu M). Beide sind heute autonom wie unsere Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin.
Alle großen, zum Teil auch die kleineren, spanischen Regionen haben ihren eigenen Charakter, auch was „Folklore“ im weitesten Sinn angeht. Im Norden, Galicien und Asturien, hört man eine Gitarre eher selten. Da herrscht die „gaita“, der keltische Dudelsack, und das „tambor“ (Trommel) vor. Auch das Akkordeon ist eher in der Nordhälfte Spaniens zuhause. Umgekehrt sind dem Kastilier, dem „maño“ (Aragonesen) und dem “norteño” andalusische Rhythmen oder gar der Flamenco, weniger vertraut, wie etwa dem norddeutschen Flachlandbewohner ein niederbayerischer Zwiefacher oder dem “Waldler” die Rituale des rheinischen Karnevals.
Nun gab es im 19.Jhd. einen französischen Romancier, der hauptsächlich durch zwei Novellen berühmt wurde: Prosper Mérimée. Er schrieb „Colomba“ und „Carmen“. Erstere spielte auf Korsika und war neulich als grandiose Verfilmung im Fernsehen zu genießen, „Carmen“ in Andalusien. Der Stoff wurde durch Bizets gleichnamige Oper weltberühmt. Gleichzeitig war damit das Zerrbild Spaniens als „España de la pandereta“, das “Spaniens des Tamburins“ als Land der Zigeuner(innen), „cigarreras“ (Tabakarbeiterinnen) und garniert mit Toreros und eifersüchtigen Sergeanten, geboren. Ganz abgesehen davon, daß Bizet z.B. die berühmte Habanera „Die Liebe vom Zigeuner stammt“ schlicht der Folklore
Kubas entnommen hat. Jedenfalls ist seit Jahrhunderten vielen Spaniern dieses „Image“ ihres Landes ein Dorn im Auge und sie versuchen dagegen anzugehen. Oftmals leider vergeblich. Davon soll später noch die Rede sein.
Es gibt noch andere Spielarten der andalusischen Folklore wie die nicht zum Flamenco gerechneten Sevillanas und solche, über die sich die Gelehrten streiten, ob sie nun Volkslied/-tanz oder Flamenco seien. Hier seien zu nennen der Fandango (z.T. arabischen Ursprungs), vom des wiederum Lied- und Tanzformen wie die Malagueña, die Rondeña, die Granadina, die Murciana und der Bolero ableiten. Dieser, der als „Mutter“ die Seguidilla hat, entstand nach dem spanischen Unabhängigkeitskrieg gegen die Franzosen (der mit dem „Dos de Mayo“, dem Aufstand in Madrid am 2.Mai 1808 begann) als Reaktion und auch musikalische Gegenbewegung gegen ausländische, insbesondere französische Einflüsse. Er galt seither als „der spanische Tanz schlechthin“ („El baile español por excelencia“). Wir kennen natürlich die Bulerías de Cádiz, den Fandango de Huelva, neben verschiedenen umstrittenen Mischformen.
Alles in allem, der Flamenco hat natürlich als eine andalusische oder südspanische Musikgattung, neben dem Volkstanz und -lied, seine Daseinsberechtigung. Das Problem ist die maßlose Übersteigerung seiner Bedeutung und Repräsentanz . Man sollte ihn da lassen, wo er hingehört: Auf den „tablaos“ (natürlich auch außerhalb Andalusiens), den „tabernas flamencas“, „cuevas gitanas“ und ähnlichen Etablissements. In Madrid gab und gibt es z.B. renommierte und nicht speziell für den Ausländer gedachte Flamencolokale wie den „Corral de la Morería“, „El Duende“, „Torres Bermejas“ u.a. Und bei uns in der Provinz Cádiz kommt natürlich kaum einer am Besuch der „Taberna Flamenca“ in Jerez vorbei, zumal da diese Stadt mit ihrem Viertel San Miguel als Geburtsort und Wiege des Flamenco gilt. Diesen Titel „Wiege des Flamenco“ macht allerdings (einem Beitrag in den „Costa del Sol Nachrichten“ vom März 2012 zufolge) die Stadt Cádiz mit ihrem Viertel Santa María der Stadt Jerez streitig. Ich halte mich da heraus.
Natürlich maße ich mir keine Aussagen oder Feststellungen wie „Sevillanas sind kein Flamenco“ aus eigenem Wissen oder eigener Besserwisserei an. Ich gebe nur die Auffassung ernster Flamencologen wieder. Leider wird vieles von der eingangs zitierten Lobby und „Mafia“ vereinnahmt und als Flamenco verkauft, was mit diesem kaum zu tun hat und „wo kein Flamenco drin ist“, um es einmal salopp zu sagen. Vieles wird einfach nur als Flamenco „hochgepuscht“, „hochgejubelt“ und „aufgemotzt“, um beim Saloppen zu bleiben..
Damit tut man einmal dem wirklichen Flamenco, z.B. dem „cante jondo“ (von „cante hondo“, „tiefer Gesang“), auch „cante grande“ genannt, oder dem „cante de las minas“ unrecht, der natürlich nicht immer nur „schön „ oder „ästhetisch“ ist.. Den bekommt der gutgläubige oder blauäugige Ausländer in Spanien oder seinem Land ohnehin kaum zu Gehör und zu sehen, weil er ja nicht so ankommt wie der übliche „jaleo“ mit den „zambras gitanas“. Wie auch spanische Folklore außerhalb des sogenannten oder auch echten Flamenco dank gewiefter (Wie schreibt man das eigentlich?) Konzert-Manager im Ausland und Tourismus-Manager in Spanien kaum auf die Bühne kommt. Zum Glück schieben andere gewissenhafte Tourismus-Manager dieser Taktik einen Riegel vor und lassen nicht zu, daß z.B. auf Teneriffa brave Ausländerinnen, vielleicht aber auch Katalaninnen oder andere landfremde als originale „feurige“ Gitanas auftreten und „einen Flamenco“ als autochthone Insel-Folklore darbieten.
Zum anderen ist es für den Spanier von außerhalb der Heimat des Flamenco eine Zumutung und schwer zu vermitteln, daß der Flamenco „die wahre Seele Spaniens“ verkörpere. Das kann man manch unbedarftem „guiri“ (Ausländer) weismachen, aber keinem „maño“ (Aragonesen, sieh oben), für den seine Jota alles und die darin besungene „Virgencica del Pilar“ in Zaragoza die „Reina de la Hispanidad“ ist.
Ein typisches Beispiel für die vielen deutschen Mißverständisse rund um den Flamenco bzw. „Flamenco“: Eine renommierte deutsche Tageszeitung lobte die „spanische Tänzerin Nina Corti als die beste Flamenco-Tänzerin der Welt“. Nun ist Nina Corti keine Spanierin, geschweige denn Andalusierin, sondern Schweizerin, mglw. aus dem Tessin, wie der Name vermuten läßt. Und beste der Welt? Da hat der gute Schreiberling wohl noch nie etwas von echten „bailaoras“ gehört bzw. gesehen.
Ich möchte dem „ geschätzten Leser“ auch nicht die folgende Beobachtung vorenthalten: Die Folge 6 der von ARTE im März ausgestrahlten Sendereihe mit 10 Folgen mit dem Titel „Sonne, Siesta und Saudade“ war überschreiben mit „Andalusien – Wo Spanien am spanischsten ist“. Aha! Nur, was ist in Andalusien spanischer als sonst wo in Spanien? Die Sonne, der Wein, die Frauen, oder gar der „Flamenco“? Dazu: Bis zum Fall des letzten maurischen Königreichs in Spanien, nämlich Granadas, 1492 war auch die Region Andalusien Teil von „Al-Andalus“ und wurde dann dem vereinigten Königreich Kastilien und Aragón einverleibt. Als autonome Verwaltungseinheit gibt es Andalusien erst seit den siebziger Jahren des 20. Jhds. Natürlich sind unsere Andalusier nicht nur das, sondern auch gute Spanier, oft sogar mehr als andere Landsleute im Norden und Osten, die gar keine Spanier mehr sein wollen. Trotzdem, was ist in Andalusien spanischer als z.B. in den spanischen Kernlanden León, Kastilien und Aragón?
Wie schon gesagt, jede Region hat ihre eigene, ausgeprägte Folklore. Dennoch gibt es Musikgattungen, die in ganz Spanien anzutreffen sind. So z.B. die Lieder der „estudiantinas“ oder „tunas universitarias“. Viele Fakultäten an den spanischen Unis haben ihre eigene „Tuna“, Studentenkapelle, die in ihrer eigenen historischen Tracht auch heute noch „mit Sang und Klang“ nächtens durch spanische Städte ziehen, spontan, bestellt oder manchmal auch ungebeten ihrer „Angebetenen“ Ständchen bringen oder bei Festlichkeiten und in Lokalen auftreten. Darin ähneln sie sich den etwas moderneren mexikanischen Mariachis („mariachi“ kommt vom französischen „marriage“ und wurde wohl unter der Herrschaft Kaiser Maximilians I. von Napoleons Gnaden geprägt). Zu den bekanntesten Tunas gehört die von der Fonseca, der Universität von Santiago de Compostela. Auch die spanischen Studenten in München haben ihre eigene Tuna, die sich scherzhaft als „Primera de España y quinta de Alemania“ bezeichnet, in Anlehnung an Karl V bzw. Carlos I (Carlos Quinto de Alemania y Primero de España). Tunas habe ich aber auch im mexikanischen, noch sehr spanisch geprägten Guanajuato erlebt. Daß so einem „tuno“, solange er mit seiner „estudiantina“ auftritt, kaum Zeit zum Studium bleibt, versteht sich von selbst. Die „Tuna“ gehört zu den Bräuchen, Institutionen oder Spezialitäten, welche die Portugiesen von den eher ungeliebten Nachbarn übernommen haben. Ich habe in Lissabon einmal ein Treffen von Tunas aus aller Welt, sogar aus dem bis 1999 portugiesischen Macau erlebt. Die portugiesischen „estudantinas“ haben mit ihrer fröhlichen Art allerdings wenig gemein mit dem eher getragenen, schwermütigen Fado ihrer Heimatuniversität Coimbra, der wiederum sehr verschieden vom Fado de Lisboa ist.
Zu den anderen portugiesischen (natürlich nicht „feindlichen“) „Übernahmen“ gehören die an die spanischen „Paradores (Nacionales) de Turismo“ angelehnten „Pousadas“. Die erste staatliche Pousada entstand 1942 in der Grenzstadt Elvas. Den ersten spanischen Parador (in der Sierra de Gredos) hatte 1928 König Alfons XIII eingeweiht. Einer der neuesten Paradores wird wohl noch in diesem Jubiläumsjahr 2012 das neue „Hotel Atlántico“ in Cádiz sein. An spanischen Spezialitäten hat die portugiesische Küche das Gazpacho und die „gambas al ajillo“ integriert. Soweit die kleine Abschweifung von den „Tunas Universitarias“ oder kurz Tunas.
Aber auch eine andere spanische Lied- und Tanzform könnte bzw. kann für sich in Anspruch nehmen, mit ihrem eigenen oder auch mit anderen Namen in ganz Spanien, d.h. auf der Halbinsel wie auf den Inseln vertreten zu sein, nämlich die Jota. Ihre ursprüngliche Heimat sind natürlich Aragón und Navarra (“jota aragonesa” und „jota navarra“). In einer Jota heißt es:: „El que no canta la jota “
si ha nacido en Aragón”
o es mudo de nacimiento,
o no tiene corazón”
(Wer in Aragón geboren ist und keine Jota singt, ist entweder stumm oder hat kein Herz).
Aber die Jota ist wirklich „gesamtspanisch“: „jota castellana“, „jota manchega“, „jota extremeña“, „jota valenciana“, “jota vasca”, „xota galega“. Auf den Kanaren heißt sie „isa canaria“ (auch „jota del Atlántico“ genannt), auf Mallorca „baile de copeo“, eine galicische Verwandte ist die „muñeira“, eigentlich “muiñeira” (“molinera”, d.h. Tanz des Müllers oder der Müllerin). Die Jota findet sich sogar auf der anderen Seite der Welt, auf den ehemals spanischen Philippinen („jota botoleña“). Bleiben wir in Spanien: In vielen Zarzuelas, auch eine im Ausland weitgehend unbekannte urspanische Musikgattung, kommen viele Jotas vor, neben Pasodobles und Coplas, die beide auch nicht auf Andalusien beschränkt sind. Die „copla“ ist wie die Jota allgegenwärtig. Aus einer kastilischen Abart der Jota, der „seguidilla manchega“, wurde die Sevillana. Sie ist wohl als Volkslied und –tanz Andalusiens am bekanntesten und gehört nicht (nicht) zum Flamenco. Womit wir schon fast wieder beim Ausgangspunkt wären. Aber erst noch kurz zum Pasodoble (natürlich nicht der „Paasodoobl“ der deutschen Tanzschulen und –turniere, wo er einfach zu den „lateinamerikanischen Tänzen“ gerechnet wird. Aus dem Tanz einen von Konkurrenzkämpfen beherrrschten und verkrampften Sport zu machen, kann auch nur „Germanen“ einfallen. Wie gesamtspanisch der Pasadoble ist, mag der folgende Vierzeiler sagen:
„Como un rayito de sol
puso Dios en esta tierra
el pasodoble español ,
lo mejor que este mundo encierra”
( “Wie einen Sonnenstrahl hat Gott den Pasodoble in dieses Land geschickt: das Beste, was es auf der Welt gibt”.)
So weit, so gut. Wenn es trotzdem dazu kommt, daß eine Stilrichtung für ein ganzes Land stehen muß, so sind daran
meistens nicht die einheimischen Exponenten dieser Musikgattungen schuld, sondern siebengescheite oder neunmalkluge „Kenner“ und Propagandisten der jeweiligen „Scene“.
Ich darf dazu die folgenden „Folklore“- oder allgemein Musikphänomene nebeneinanderstellen:
Der Flamenco und der Fado auf der Iberischen Halbinsel, die Bouzoukia in Griechenland, die Bossa Nova in Brasilien und der Tango in Argentinien. Ihnen ist zunächst einmal gemeinsam, daß sie räumlich eigentlich nur einer bestimmten Region oder Stadt zuzuordnen sind: der Flamenco zu Andalusien, der Fado zu Lissabon (und in anderer Form dem akademischen Milieu von Coimbra), die Bouzoukia zur Plaka in Athen, die Bossa Nova zu Rio und der Tango zu – ich sage einmal poetisch den Gestaden des Rio de la Plata oder ganz einfach zu Buenos Aires und Montevideo.
Ferner gehören sie zu einer Gattung, die man „Musik der Nacht“ nennen könnte, einer Musik, die man weniger mit grellem Tageslicht und freien Plätzen verbindet als mit einem intimeren Umfeld. Vielleicht könnte man noch New Orleans und den (Cool) Jazz dazunehmen. Sicher kann man in der Boca von Buenos Aires manche Paare auch am Tag und auf der Straße Tango tanzen sehen Auch Amália (Rodrigues), die große alte Dame des Fado, ist schon einmal bei Festivals am Tage und vor großem Publikum im Freien aufgetreten. Der Normalfall ist wohl das Flamenco-, Fado-, Tango- oder Jazzlokal (der „Jazzkeller“) oder die Bouzoukia-Taverne. Und ist nicht unsere Stub´nmusi etwas anderes als eine “kracherte” Blasmusik auf der Kirchweih oder im Bierzelt?
Weitere Mißverständnisse beim / zum Flamenco:
„Sie / Er tanzte(n) einen feurigen (vielleicht gar rassigen) Flamenco“: Erstens kann man, wie wir alle wissen, nicht „einen Flamenco“ tanzen, spielen oder singen, so wenig, wie man „einen Jazz“ spielen kann, da der Flamenco ja eine Gattung, kein Einzeltanz ist. Zweitens ist Flamenco, vor allem der „cante jondo“ oder „cante grande“, viel zu ernst, eher traurig-melancholisch bis schmerzhaft, als daß er „feurig“ sein könnte. Sicher kann der „taconeo“ und „zapateado“ des „bailaor“ bzw. der „bailaora(s)“ beim getanzten Flamenco temperamentvoll sein, aber „rassig“?
Ähnlich verhält es sich mit dem Tango. „Er sang (oder: sie tanzten) einen feurigen (wahlweise auch rassigen) Tango“. Jemand, vielleicht Carlos Gardel selbst, hat einmal gesagt, der Tango sei ein trauriger Gedanke, den man tanzt. So etwas soll „feurig“ sein? Dann schon eher eine brasilianische Samba, nicht zu verwechseln mit der getragenen argentinischen Zamba (auch wenn die sich wie „samba“ ausspricht). Fehlt noch, daß jemand sagt, er habe in Lissabon einen „feurigen Fado“ gehört. Obwohl es auch schnellere, heitere Fados gibt (fado corrido, desgarrada), ist der Fado in der Regel eher schwermütig. Ich habe leider in Fado-Lokalen des Lissabonner „Bairro Alto“, der Oberstadt, erleben müssen, daß japanische Touristen unbedingt zum Fado tanzen wollten und eine Gruppe „germanischer“ Touristen von den Musikern verlangten, sie sollten doch „Cucurrucucú Paloma“ spielen, trotz zaghafter, ja verzweifelter Einwände der „fadistas“, das sei aber keine portugiesische Musik.
Abschließend: Wie weit es der Flamenco in seiner Bewertung in den letzten, sagen wir, fünfzig Jahren gebracht hat, mag durch folgende Feststellung belegt werden: Es gab in den fünfziger Jahre eine Reihe von Veröffentlichungen zu „Temas españoles“ in Heftform, darunter “Canciones populares” und „Bailes regionales“, also Volkslieder bzw. –tänze.I
Im erstgenannten Heft wurden schon Überlegungen angestellt, ob und wie man beim spanischen Liedgut zwischen „canción popular“, „canción folklórica“ und „canción natural“ unterscheiden soll. Hier wird jedenfalls bei der Beschreibung der Folklore Andalusiens den leichten, heiteren Volksliedern und –tänzen bewußt der „cante jondo“ mit seinen fremden, hauptsächlich orientalisch-byzantinischen Einflüssen gegenübergestellt. Wie wir wissen, kam er durch nomadisierende Stämme von „gitanos“ von Indien über Ägypten und dem Maghreb nach Spanien. Entsprechend teilt man die Folklore Andalusiens auf in die Gruppe des „folklore auténticamente andaluz“, ja sogar „puramente andaluz“ und die Gruppe des „cante jondo“ oder der „música gitana“. Als älteste Spielarten des „cante jondo“ oder der „cantos gitano-andaluces“ werden dabei die Siguiriyas, die Soleares, die „tonás“ und der Martinete angeführt. Gleichzeitig wird in der Schrift bedauert, daß der ursprüngliche Gehalt des „cante jondo“ weitgehend verschwunden, zumindest verwässert und zum „cante flamenco“ geworden sei .Der sei heutzutage sehr in Mode und zu etwas Banalem und Seichtem ohne künstlerischen Anspruch verkommen. Nur dazu da, um die Sangeslust eines Publikums aus allen sozialen Schichten zu befriedigen und uns selber, und was am schlimmsten ist, dem Ausland das Bild des „Spaniens mit dem Tamburin“ („La España de la pandereta“) vorzuführen, das uns so sehr geschadet hat und das Bild des wirklichen Spanien verdunkelt(Ende des Zitats). Starker Tobak, aber wohl wahr. Da haben wir es wieder, das von vielen Spaniern zu allen Zeiten so gefürchtete Zerrbild vom „Spanien mit dem Tamburin“. Dazu hat ja wohl nicht zuletzt der übersteigerte „flamenquismo“ , ersetzbar durch „flamenquería , beigetragen Und gibt es denn inzwischen nicht schon den Flamenco-Jazz, Flamenco-Rock und Flamenco-Pop?
Im Heft „Bailes regionales“ kommt das Wort „Flamenco“ auf seinen 30 Seiten überhaupt kein einziges Mal vor. Es werden verschiedene andalusische Volkstänze genannt, wie die Granadinas („granaínas“), die Sevillanas, Malagueñas, Rondeñas, der Fandango, der Olé (den es anscheinend nicht nur im spanischen Kreuzworträtsel –andalusischer Tanz mit 3 Buchstaben – gibt oder zumindest gegeben hat), oder den von der Seguidilla und / oder dem Fandango abgeleiteten Bolero. Bei der Seguidilla wird erwähnt, daß die „gitanos“ sie „siguirilla“(heute andalusisch „siguiriya“) nennen. So viel bzw. so wenig also zum Flamenco, von spanischen Volkskundlern aus gesehen.
Zu den von ihnen angeprangerten fremden Einflüssen, die letzlich zum „cante flamenco“ geführt hätten, noch ein Wort: Wir haben uns mit Betrachtungen und Beobachtungen über Gemeinsames und Verschiedenheiten zwischen der Volksmusik Spaniens und Europas einerseits und Lateinamerikas andererseits vom Flamenco ziemlich weit wegbewegt. Wir sollten aber auch nicht vergessen, daß nicht nur Europa mit der Gitarre, der Harfe, dem Akkordeon, dem Bandoneon (Tango!), der Polka („polca paraguaya“ zum Beispiel), dem Walzer („vals peruano“, „vals mexicano“) und vielem mehr tiefe Spuren in der Folklore Lateinamerikas hinterlassen hat, sondern so manche südamerikanische Rhythmen Eingang gerade auch beim Flamenco oder auch nur „Flamenco“ gefunden haben, mit „tanguillos (de Cádiz), „colombianas“, „rumbitas“. Mit der „rumba catalana“ („Un borriquito como tú“) hat Peret seinerzeit auch außerhalb Andalusiens Furore gemacht. Der Kreis von Flamenco zu Flamenco hätte sich somit geschlossen. Auch wenn manche Kenner und Liebhaber der andalusischen Musik, woher sie auch stammen mag, schlucken müssen, wenn „Folklore“ / Volksmusik in einen Topf mit „Flamenco“ geworfen wird,: Eines kann man diesem nicht absprechen. Er ist „arte“, ob gesungen oder getanzt. Eine Parallele zur / zum „arte de la tauromaquia“ zu ziehen, wollen wir uns lieber versagen. Jedenfalls wird der Stierkampf (Vorsicht, heißes Eisen!) in den Medien eben eher unter „Kultur“ und „arte“ aufgeführt denn als „Sport“ behandelt. Aber unser Thema sollen Flamenco, Folklore, Volksmusik (hauptsächlich Iberiens mit Ausstrahlungen nach und Wechselwirkungen mit Ibero-Amerika) sein und bleiben.
„Flamenco“ – „Folklore“ – „Volksmusik“ TEIL 2
Ausgehend vom Beispiel des Flamenco und ergänzend zu dem bereits zu Fado, Samba/Bossa Nova, Tango Gesagten eine kurze Betrachtung über gewisse Ähnlichkeiten in der Art und Wertung von (oft eher städtischen) Musikgattungen in anderen Teilen der Welt, die unbewußt oder absichtlich einen „Alleinvertretungsanspruch“ für das ganze Land geltend machen, Auch hier sind nicht immer nur die einheimischen Exponenten dieser Musikgattung schuld, sondern siebengescheite oder neunmalkluge „Kenner“ und Propagandisten der jeweiligen „Scene“.
Nehmen wir uns zur Veranschaulichung dieser vielleicht etwas „akademisch“ klingenden Aussage drei Länder in Lateinamerika vor: Brasilien, Argentinien und Mexiko. Brasilien hat einen unglaublich reichen Bestand an Volksmusik /Folklore und ein ebenso reiches Reservoir davon. Selbstverständlich kann die uns im Musikunterricht der Schule eingetrichterte Unterscheidung zwischen Volkslied/Volksmusik einerseits und Kunstlied andererseits, zwischen „U-Musik“ (Unterhaltungsmusik) und „E-Musik“ (Ernste Musik) zumindest außerhalb des alten Europa keine Gültigkeit haben. Und selbst hier: Ist denn eine „Opera buffa“ ernst? Ist eine besinnliche Weise wie das alpenländische (bayerische, Tiroler, Südtiroler?) „Fein sein, beinander bleiben“ nicht ernst? Obwohl es bestimmt kein „Kunstlied“ ist.
Das „Interior“ Brasiliens , der sogenannnte „Sertão” oder der leidgeprüfte Nordosten, also das früher vielgeschmähte „Hinterland“ weit ab von Rio, São Paulo oder „Bahia“ (eigentlich São Salvador da Bahia, aber wer sagt hierzulande denn so?) ist voll von Volkssängern, die oft auch ihre eigenen Kreationen vortragen, also echte Liedermacher sind. Der Süden, wie der „Gaucho“-Staat Rio Grande do Sul, hat ebenso seine eigenen Rhythmen und Lieder wie der Staat Bahia mit seinem eigenen afrikanisch geprägten Karneval, der Nordosten oder Amazonien. Das alles ist MPB, Música Popular Brasileira, landesweit berühmt gewordene „Barden“ wie die Legende Luis Gonzaga aus dem Nordosten ebenso wie der „Gaúcho“ Teixeirinha oder die „Indios Tabajaras“ mit indianischer Folklore. Rio hat seine(n) Samba. Von hier ging aber auch die „Bossa Nova“ aus, eine Art verjazzte Samba. Seitdem werden die bewußten „Kenner“ und Insider in den Medien Deutschlands nicht müde, uns einzutrichtern, in Brasilien sei alles nur Samba und Bossa Nova.
Mit Argentinien und seiner Musik liegt der Fall ähnlich. Wirkliche Landeskenner einschließlich der Argentinier selber sprechen von der Existenz oder Koexistenz zweier Argentinien: der Wasserkopf Buenos Aires und eben Argentinien mit seinen Provinzen und „provincianos“, auf die viele der auf Europa fixierten und sich eher für „Europäer“ als für Südamerikaner haltenden Hauptstädter, der „porteños“, blasiert herabsehen. Und was kommt von der Folklore des Landes dank des unermüdlichen Einsatzes von Fans und Kulturmanagern zu uns nach Europa und drängt die echte Volksmusik an die Wand? Richtig, der Tango, und seit Astor Piazzola vor allem der „Tango Nuevo“. Lediglich eine Handvoll von Vertretern der argentinischen Folklore jenseits des Tangos haben es geschafft, bei uns bekannt zu werden: Atahualpa Yupanqui, Mercedes Sosa, Jorge Cafrune und „Los Fronterizos“ mit der „Misa Criolla“ von Ariel Ramírez, die gelegentlich in der Münchener Mathäus-Kirche aufgeführt wurde und wird. Es gab früher einmal eine Sendung des Bayerischen Rundfunks, die sich „Saludos Amigos“ nannte und Musik aus Spanien und Lateinamerika (ohne Flamenco, Bossa Nova und Tango) brachte, moderiert vom deutsch-spanischen „Gespann“ Wolfgang Felsing und Borís Osés. Solche Sendungen in Funk und Fernsehen gibt es kaum noch, geschweige denn Aufführungen von spanischen oder südamerikanischen Folklore-Ensembles, die ohne Flamenco und Tango auskommen. Ein Wort noch zum Tango: Auf der anderen Seite des Río de la Plata will sich Uruguay mit Montevideo als Schauplatz, wenn nicht gar als Geburtsland des Tango von Buenos Aires nicht an die Wand spielen lassen.
Ein anderes Nachbarland Argentiniens, nämlich Paraguay, hat im Laufe der Jahrhunderte eine ganz besondere Folklore-Kultur entwickelt. Bei uns wurde sie in den Fünfziger- und Sechziger-Jahren durch das „Trio Los Paraguayos“ bekannt, das mit Diplomatenpässen ausgestattet die Lieder seiner Heimat auf Spanisch, auf Guaraní, der zweiten Landessprache Paraguays, die allein schon Musik ist, oder in beiden Sprachen vermischt, vortrugen. Auch die Liedertexte haben im allgemeinen nichts Banales, Schlagermäßiges, sondern sind oft reine Lyrik (Im Englischen steht übrigens „lyrics“ für Text eines Liedes). Ich will es mir nicht versagen, hier einige Worte zum Guaraní (Bitte nicht Guaráni!) zu verlieren: Das Guaraní war früher in großen Teilen Südamerikas, ja sogar der Karibik, Verkehrssprache und wird heute noch neben Paraguay auch in Nachbarregionen Argentiniens (Provinz Corrientes) und Boliviens gesprochen. Dem Volk der Tupí-Guaraní widmete ein brasilianischer Schriftsteller des 19.Jhd. , José de Alencar, einen Roman, „O Guarani“. Aus dem Stoff machte sein Landsmann Carlos Gomes die gleichnamige Oper „O Guarani“ (1870 an der Mailänder Scala als „Il Guarani“ uraufgeführt). Darin eine Parallele zum „Carmen“-Stoff zu sehen oder zu suchen verbietet sich, weil für Alencar und für Gomes die Tupí-Guaraní zur Geschichte ihrer brasilianischen Heimat gehörten, während für Mérimée und Bizet Spanien mitsamt Andalusien wohl ziemlich fremd geblieben sein dürfte. Nochmals zu den „Paraguayos“: Leider ließen sie sich später, als sie schon berühmt waren, dazu herab, sich nicht auf lateinamerikanische Folklore zu begrenzen, sondern sogar alle möglichen Schlager in anderen Sprachen und Titel wie „Volare“ und „Ciaociao bambina“ in ihrer paraguay-typischen Besetzung mit Gitarren und indianischer Harfe darzubieten, ob diese Trällerliedchen dazu paßten oder nicht. Schade! Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von paraguayischen, auf Spanisch und Guaraní singenden Ensembles in Europa, die damit sogar den allgegenwärtigen Mariachis und „El cóndor pasa“ spielenden Anden-Musikanten Konkurrenz machen.
Die paraguayische Volksmusik wird zwar gelegentlich auch vom Akkordeon, neben den Gitarren, begleitet, aber typisch für sie ist die „arpa india“ oder „arpa paraguaya“. Erstaunlich ist, daß wir in der Folklore Lateinamerikas die Harfe zwar in Ländern, die Tausende von Kilometern voneinander entfernt liegen, antreffen, nämlich an der Karibikküste Mexikos um Veracruz, in Venezuela, Kolumbien und einigen Andenländern, und eben in Paraguay. Natürlich waren es Europäer, vornehmlich spanische Jesuiten, welche die Harfe im 16. Jhd. in den „Américas“ einführten. Aber wo ist die Harfe in Spanien geblieben? Jedenfalls nicht in der Volksmusik. Für die spanische Klassik ist der baskische Harfinist Nicanor Zabaleta durchaus in einer Reihe mit den Gitarristen Andrés Segovia, Reginaldo Sáenz de la Maza und Carlos Montoya zu nennen. Und Paco de Lucía? Der gehört eher in die „Schublade“ Flamenco. Zurück zur Harfe: Wir kennen sie natürlich vor allem aus unserer alpenländischen Volksmusik wie der „Stub’nmusi“ und daneben der keltischen Folklore wie der bretonischen oder gälischen in Irland (Ab und zu findet man sogar in Conil einen irischen Euro, der auf der Wappenseite die Harfe als Nationalinstrument zeigt). Auch Galicien bewahrt keltische Traditionen mit der „gaita“ (dem Dudelsack), dem Glauben an die „meigas“ (Hexen), die man bei der „queimada“ mit dem „conxuro“ beschwört. Aber Harfe? Fehlanzeige! Wie auch mit der Sprache: Im „galego“ finden wir kaum Keltisches. Also:Warum gibt es in der spanischen Folklore keine Harfe? Vielleicht galt sie dem mit seinem „terruño”, seiner Scholle verbundenen Landmann und Bürger zu sehr als himmlisches Instrument. Wer den „Münchner im Himmel“ kennt, weiß, daß sich der ehemalige Diestmann am Münchener Hauptbahnhof namens Alois Hingerl auf seiner Wolke und in seiner Rolle als himmlischer „Harpfnzupfer“ mit Hossianah-Singen und „Frohlocken“ überhaupt nicht wohlgefühlt hat.
Noch einmal Lateinamerika: In Mexiko mit seiner alten Folklore-Tradition, die ja auch das indianische Erbe (der Azteken, Mayas usw.) einschließt, nimmt man es mit der Abgrenzung der verschiedenen musikalischen Stilrichtungen sehr genau, um einer Verwässerung der echten Volksmusik vorzubeugen.“Música popular“ wird akzeptiert, wenn sie wirklich „música del pueblo“ und nicht nur „pop“ ist. Dem Ausdruck „música folklórica“ begegnet mancher Mexikaner mit Skepsis, weil „folklore“ zum einen aus dem Englischen stammt (das nicht so gut ankommt) und zum anderen die Gefahr der Vermarktung des „folklore mexicano“ mit seinen Mariachis und Rancheras besteht. So muß der Bundesstaat Jalisco mit seinen „charros“ (die mit den großen bestickten Sombreros!) oft für ganz Mexiko herhalten, wie die „volkstümliche Musik“ des Alpenraums vielerorts für echt bairisch-(süd)tirolerisch gehalten wird. Dafür sorgen schon Film, Funk und Fernsehen mit „Musikantenstadl“ u.ä. Immerhin bietet das „Ballet Nacional Folklórico de México“ mit seinen Aufführungen in Mexiko-Stadt und auf seinen Tourneen durch die ganze Welt echtes Mexiko, Bekanntes und Fremdes gleichermaßen. Es ist auch nicht schlimm, wenn der sogenannte „Mexican Hat Dance“, im Lande selbst als „Jarabe Tapatío“ bekannt, als besonders „typisch mexikanisch“ gilt und die bekannten Weisen wie der Huapango „Cucurrucucú paloma“ oder der mexikanische Walzer „Cielito lindo“ mit besonderer Begeisterung aufgenommen werden. Letzteres ist so populär, daß es in unseren Breiten für ein mitteleuropäisches Stimmungslied gehalten wird („Ei, ei, ei, ei. Schön ist die Liebe“). Ein Lied, kein mexikanisches, sondern eine kubanische Habanera, hat es geschafft, noch bekannter und in vielen Sprachen in der ganzen Welt gesungen zu werden: „Cuando salí de la Habana, válgame Dios“, weltberühmt als „La Paloma“. Kaiser Maximilian wünschte sich dieses Lied vor seiner Hinrichtung durch ein Exekutionskommando der mexikanischen Revolution. Früher gab es noch die „música típica“ der „orquestas típicas“, unseren Kurkonzerten vergleichbar. Von „música regional“ zu sprechen, erlaubt zumindest die grobe Unterscheidung zwischen der Musik des Nordens, der der Karibikküste und derjenigen der Landesmitte. In den Nordstaaten, an der Grenze zum ungeliebten Nachbarn, singt man z.B. Lieder, die von Schicksal der „mojados“, der „wet backs“ handeln, den illegalen Grenzgängern, eher –schwimmern, die den Río Bravo (Río Grande del Norte) überqueren und eben als „mojados“(„Durchnäßte“) das US-Ufer erreichen, Lieder, die eher von Akkordeon und Trommel als von Gitarre, „guitarrón“ (dem dickbäuchigen Bruder der Gitarre) und Trompeten begleitet werden. Auch der Drogen-, Menschen- und Mädchenhandel sind ihre Themen. Zahllos sind die „corridos“, die von der mexikanischen Revolution von 1910 und ihren Helden Francisco (Pancho) Villa, Emiliano Zapata, Venustiano Carranza usw. handeln. Wie schon gesagt, die Mexikaner machen es sich mit den Definitionen für „Volksmusik“ nicht leicht.Sie haben auch noch die „ethnographische“ oder „autochthone“ Musik der Indios in ihren jeweiligen Sprachen (náhuatl/nahua = aztekisch, maya,, purépecha usw.) und die „música vernácula“ für eine von fremden Einflüssen reine Volksmusik geprägt.
Trotzdem war und ist nicht zu vehindern, daß die Kinder in den entlegensten Gebirsgegenden „chinguebels“ („Jingle Bells“) singen und „jálovin“ (Halloween) feiern. Spanien läßt grüßen! Dafür haben die Mexikaner ein eigenes Lied als Geburtstagsständchen, nicht eine Übersetzung von „Happy birthday to you“ wie die Spanier mit „Cumpleaños feliz“, nämlich „Mañanitas mexicanas“ („Estas son las mañanitas que cantaba el rey Tepic, a las muchachas bonitas. Te las cantamos a ti“). Damit haben wir uns nun ziemlich weit wegbewegt vom spanischen Mutterland mit seiner Musik. Beide werden in den „Américas“ immer präsent sein. Denken wir nur an die Lieder des mexikanischen Komponisten Agustín Lara, wie den Chotis (typisch für die „verbenas“, die Volksfeste oder Ferias der Madrider Vorstädte) „Madrid, Madrid, Madrid, en México se piensa mucho en ti“ oder „Granada“, beide eine Huldigung Laras an Spanien.
Und was ist aus Granada und seinen „Zigeuner“vierteln Sacromonte und Albaicín nicht wegzudenken?
Der F l a m e n c o !
|