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Der andalusische Dialekt


Autor: Erwin Penkert, Conil
 

Jetzt könnte natürlich jemand sagen: Was soll das? Andalusisch  wird  gesprochen oder gesungen, nicht geschrieben. Und wie will man einen Dialekt schriftlich darstellen, also be“schreiben“, ohne mündliche Beispiele für die Aussprache zu liefern? Es geht, aus verschiedenen Gründen, und ich will es später auch beweisen. Dagegen würde es mir nicht im Traum einfallen,  an dieser Stelle dem deutschsprachigen Leser die Aussprache der spanischen Hochsprache, also des „castellano“ (wie ja Spanisch in Lateinamerika vorzugsweise genannt wird), zu erläutern.“Dem Leser“ soll hier heißen, jemandem, der an den andalusischen  Dialekt um ihn herum gewöhnt ist, aber wenig Gelegenheit hat, „richtiges“ Spanisch zu hören, vielleicht im Radio oder Fernsehen, oder gar im Kino.

Warum, bzw. warum nicht? Nun, das Spanische  hat rund ein halbes Dutzend Laute, die dem Deutschen fremd und deshalb schriftlich schwer wiederzugeben sind. Natürlich haben das zahlreiche Lehrbücher versucht und tun dies immer noch. Allerdings heutzutage unterstützt von „audiovisuellen“ Hilfsmitteln wie Audio-Kassetten, CDs, DVDs usw. Von diesen im Hochdeutschen nicht existenten Lauten hätten wir z.B. das „z“ (in allen Stellungen) und das gleichlautende „ce“ und“ci“mit den uns aus dem Englischen einigermaßen vertrauten „Lispellauten“ des stimmhaften oder stimmlosen „th“ („the“, „this“ bzw. „thick“, „thin“), wie wir  es stimmlos in „cerveza“, „civilización“, „urbanización“, Jerez, Andalucía haben. Dann gibt es die im Spanischen unentbehrlichen stimmhaften Reibelaute b, d, g, wie in „la bodega“ (auch wer die Aussprache nicht hinbekommt, eine Bodega kennt doch im Lande des Sherry und des Brandy jeder), „abogado“ oder „¡Digo!“ (auch gutes Andalusisch im Sinne von „Sag ich doch! Genau!“). Wir kennen im Deutschen nur die stimmlosen Varianten von b,d,g  („aber, „Bube“, „Adler“, „goldgelb“), wie sie allerdings auch die Spanier haben, wie in „un buen vino (gesprochen „umbuembino“) „en Berlín“ („emberlín“), „en Valencia“ (embalencia“), „endonde“, „con gas“. Auch sind „ll“ und „ñ“ nur für den “Hausgebrauch” einfach „l + j“ („Maljorka“, Sewillja")  bzw. „n + j“ („sennjor“, „ninnjo“, „Espannja“), sondern dem Spanischen eigene Laute. „La eñe” gilt als “españolísima” und hat es zu einem gewissen Symbolwert für das Spanische überhaupt gebracht  (so wie der frühere Osborne- und heute namenlose Stier für Spanien). Wie oben gesagt, „ll“ und „ñ“ muß man hören oder vorgesagt bekommen. Ähnliche Laute haben wir übrigens auch in anderen Sprachen (Portug. „lh“ und „nh“, Franz. und Ital. „gl“ und „gn“: Bourgogne, Auvergne, Livigno, Cagliari, serbokr. Ljubljana). Schließlich gibt es noch das spezifisch spanische „s“, das zwischen „s“ und „sch“ liegt und besonders gut beim jetzigen spanischen Regierungsschef Mariano Rajoy zu hören ist.

Ich würde allenfalls ein paar allgemeine Hinweise für die Aussprache geben, die auch für die andalusische Mundart gelten, und die helfen, daß das Spanische eben nicht wie Deutsch mit spanischen Wörtern, sondern „spanisch“ klingen. Ein paar solcher Richtlinien wären:
- Die spanischen Vokale (a, e, i, o, u) sind kurz und offen zu sprechen. Es gibt keine langes, geschlossenes „e“ wie in „Beete“und kein langes, geschlossenes „o“ wie in „Boot“ (nicht „Peepö“, sondern „Päppä“ für Pepe und nicht „Loopö dö Weega für Lope de Vega.       
- Das Spanische wird nicht „staccato“, sondern „ligato“ gesprochen, wenn ich hier einmal „musikalisch“ werden darf,   d.h. die Wörter werden gebunden und verbunden, nicht mit dem deutschen „Knacklaut“ oder Stimmabsatz zerhackt.   Im Deutschen wird oft übertrieben mit „auf-ein-ander“, „be-ob-achten“. Besonders häßlich „Gu-atemala“ oder sogar    „bu-eenoo“, weil das „u“ hier ja kein „u“ ist, sondern mehr „w“, also „Gwatemala“ und „bweno“. Wir sagen also    „Ssomossalemanes“ oder „elairedeandalucía“ für „Somos alemanes“ und „el aire de Andalucía”.Schon viel ist getan, wenn der Deutsche den Hauchlaut “h” nach p, t, k vermeidet, also “capitán“, „tomate“, „total“, „teatro“, „patata“ und nicht „khaphithaan“, „thomaathe“, „thothaal“, „theathro“, „phathatha“ sagt und „paquete“ nicht „phakheethe“, sondern „pakkätä“ ausspricht.

Wie gesagt, diese oben angeführten Aussprachehilfen gelten auch für den andalusischen Dialekt. Aber im Gegensatz zum „castellano“, wie es eben in Kastilien gepflegt wird, hat die andalusische Sprechweise eigentlich keine Besonderheiten, die sich nicht auch schriftlich erklären lassen. Darüber hinaus wird Andalusisch ohnehin kaum geschrieben, außer in Namen von bestimmten Örtlichkeiten  wie Restaurants oder Bars, wie „Er Quejío“ (El Quejido) oder „Marsalao“ (Mar salado) . Gesungen wird es dann oft ziemlich unverständlich. Das gilt aber nicht nur für „andalú“.

Andalusisch ist ein „dialecto post reconquista“, der sich also erst nach Beendigung der Reconquista 1492 herausgebildet hat. Literatursprache wurde es nie, im Gegensatz etwa zum Plattdeutschen (mit Theodor Fontane oder Theodor Storm) oder dem aus dem Mittelhochdeutschen mit dem Nibelungenlied und den süddeutschen (bairisch-österreichisch-süd –tiroler und fränkischen) Minnesängern wie Walter von der Vogelweide, Wolfram von Eschenbach und Oswald von Wolkenstein hervorgegangenen Bairisch. Wie die meisten deutschen Mundarten viel älter als das lutherische Hochdeutsch sind,  gibt es auch in Spanien alte, gewachsene  Dialekte, die sich heute noch neben dem „castellano“ behaupten, wie das Asturische („bable“) oder das Aragonesische, die sich beide bereits als regionale Amtssprachen etabliert haben.

Wo wird Andalusisch gesprochen?
Grob gesagt, im südlichen Drittel Spaniens, d.h. außer in der heutigen Autonomen Gemeinschaft Andalusien auch in der südlichen der beiden Provinzen der Extremadura,  nämlich Badajoz (in der nördlichen Provinz Cáceres spricht und hört man Kastilisch!), in der Region Murcia und etwas „gemäßigt“ auf den Kanarischen Inseln. Mit der„Entdeckung“ Amerikas,  d.h. der Insel Guanahaní durch den Matrosen Rodrigo de Triana, also einem Sevillaner, mit seinem Ruf „¡Tierra a la vista!” (Land in Sicht) setzte alsbald die Kolonisierung der Neuen Welt ein. Diese Kolonisatoren des späteren Spanisch-Amerika waren vornehmlich Andalusier. Deshalb finden wir im Spanischen Mittel- und Südamerikas vom Río Grande del Norte (Río Bravo) bis Feuerland viele Merkmale der Sprache des „atlantischen Spaniens“ mit Andalusien und Canarias wieder (Venezuela z. B. wurde von den Kanaren aus besiedelt). Übrigens: Geographisch gehört Mexiko zum großen Teil nicht zu Mittel-, sondern zu Nordamerika, jedenfalls bis zur Landenge von Tehuantepec.

Nun zum Andalusischen:
Auch hier könnte jemand fragen, warum so eine lange „Einleitung“ und Darstellung des „castellano“, also der spanischen Hochsprache, bevor es ans „Eingemachte“, also in die hiesige Mundart geht.
Im Normalfall ist es vernünftiger und logischer, erst einmal die richtige, die Hochsprache zu erlernen und sich dann mit irgendeinem Dialekt zu befassen. Das gilt für Hochdeutsch, Standard-Französisch oder Hocharabisch genauso wie für „castellano“. Was hätte es einem ausländischen Diplomaten in Bonn genützt, sich in und mit dem dort gesprochenen rheinischen Platt zu versuchen und dann erst Hochdeutsch zu lernen. Das Gleiche gilt für den Ausländer in der jetzigen Bundeshauptstadt, der ohne das richtige Deutsch, das er vielleicht bei „Goethe“, d.h.  einem unserer Goethe-Institute im In- und Ausland, gelernt hat, kaum „Da kiekste, Männeken, wa?“, sondern nur „Bahnhof“ und nicht einmal das verstehen wird. Natürlich sind Ausnahmen denkbar. Wer nur für kürzere Zeit in Kairo zu tun hat, kann sich Hocharabisch und die arabische Schrift ersparen, weil er gut mit dem von allen Ägyptern vom Präsidenten zum einfachen Fellachen gesprochenen sog. Ägyptischen Vulgär-Arabisch zurecht kommt.

Zur Sache (¡Al grano!):Was  macht Andalusisch aus? Auffallendstes Merkmal und kennzeichnend  für die andalusische Mundart ist die Aussprache des „s“, insbesondere die Gleichbehandlung des „s“ und des „z“ (in allen Stellungen) bzw. des „c“ in „ce“ un d“ci“, nämlich als „s“ /“ss“. Diese das Andalusische prägende Erscheinung nennt man „seseo“, im Gegensatz zum hochsprachlichen, „kastilischen“ „ceceo“, d.h. die Aussprache von „z“ und „ce“/“ci“ als „Lispellaut“ (wie das englische „th“). Der andalusische „seseo“ bedeutet, daß in der Aussprache nicht unterschieden wird zwischen z.B. „casa“ (Haus) und „caza“ (Jagd), zwischen „taza“ (Tasse) und „tasa“ (Steuer), zwischen „cocer“ (kochen) und „coser“ (nähen), zwischen „cerrado“ (geschlossen) und „serrado“ (gesägt), zwischen „ciervo“ (Hirsch) und „siervo“ (Diener), zwischen „cegar“ (blenden) und „segar“ (säen), zwischen „zumo“ (Saft) und „sumo“ (höchster). Für „cerveza“ hören wir also „sserwessa“, für „azúcar“ „assúkar“, für „Andalucía“ „Andalussía“, für „Santa Lucía“ „Ssanta Lussía“, für „Cecilia“ „Ssessilia“, für „urbanización“ „urbanissassión“, für „civilización“ (wo wir im Kastilischen gleich dreimal den Lispellaut haben) „ssiwilissassión“ usw. Darüber hinaus werden „s“ und „z“ am Silben- oder Wortende oft überhaupt nicht oder als schwaches „h“ gesprochen. So wird aus „andaluz“ „andalú“ oder „andaluh“ („andaluza“ wird natürlich „andalussa“), unser Jerez lautet “Heré“, Cádiz sogar „Cai“, das man manchmal sogar so lesen kann (in Conil heißt eine Straße am Anfang „Calle Cádiz“, am Ende „Calle Cai“), Badajoz hört man als „Badahó“. Zur Aussprache von „j“, „d“ usw. kommen wir schon noch.

Wie schon erwähnt, finden wir den „seseo“ auch als Merkmal des auf den Kanaren und in Spanisch-Amerika gesprochenen „castellano“. Ein besonders reines „s“ hört man in Mexiko und den Andenregionen von Kolumbien, Ecuador, Peru und Bolivien. Das „schlampige“ Weglassen von Schluß-„s“ oder „z“ bzw. Ersetzen durch „h“ („nossotroh loh andalusseh“ für „nosotros los andaluces“- Wir Andalusier) finden wir dagegen auch in den Küstenregionen und Inseln der Karibik (von Mittelamerika bis Venezuela, Kuba, Puerto Rico, „DomRep“ /“RepDom“ = Dominik. Republik, República Dominicana, das „Mallorca der Karibik“) wieder.
Nun gibt es sicher nicht wenige Deutsche, die protestieren und anführen: Wir hören und treffen aber täglich „lispelnde“ Andalusier. Das stimmt auch. Es gibt eben nicht nur den Standard-„seseo“, sondern auch eine Reihe von Mischformen von „seseo“ und „ceceo“ („seceo“, „ceseo“). So hören wir „Y ¿Vozotro, cuándo pazai por caza?“ für „..vosotros, cuándo pasáis por casa.”(Und Ihr, wann schaut Ihr mal bei uns vorbei?). Dann gibt es die Umstellung von „st“ plus „ceceo“, d.h. aus  „este castillo“ (diese Burg)  kann „ehte cahstiyo“, aber auch „etze katziyo“, aus „Estado“  (Staat) neben „Ehtao“ auch „Etzao“ werden. Viele Andalusier haben anscheinend überhaupt etwas  gegen das „s“, auch mitten im Wort oder gar am Anfang. Das ist der sogenannte „jejeo“ oder „heheo“. Dabei wird aus „Sevilla“ eben „Jeviya bzw. „Heviya“. Diese Aussprachevarianten hängen aber nicht zuletzt vom Bildungsstand des Sprechers ab.

Insgesamt klingt das Andalusische durch Wegfall oder Abschwächung der „kernigen“  kastilischen Konsonanten weicher. Dazu gehört auch die weiche Aussprache des „j“, der „jota“ (die Namen der Buchstaben sind im Spanischen weiblich), unseres deutschen „ach“-Lautes. Unseren weichen „ich“-Laut kennt das Kastilische ohnehin nicht. Im Andalusischen klingt das „j“ wie unseres konsonantisches  „h“ wie in „Herr“ oder „sehen“(also nicht Dehnungs-h wie in „sehr“ oder „Ohr“).Jerez wird so zu „Heréss“ oder „Heré“, Vejer zu „Wehé“, Jaén zu „Haénn“, „mujer“ (Frau) zu „muhé“, „las mujeres“ zu „lah muhereh“, „hijo“ (Sohn) zu „iho, „cortijo“ (Landgut, Bauernhof) zu „kortiho“, „reloj“ (Uhr) zu „reloh“, „ajo“ (Knoblauch) zu „aho“.
Will man einem Spanier erklären,  daß das „h“ im Deutschen oder Englischen im Gegensatz zu den romanischen Sprachen (außer mglw. Rumänisch) normalerweise nicht stumm ist, aber auch nicht als spanischer „ach“-Laut gesprochen wird (also nicht „Chaidi“ für Heidi, „Charri Potter“ für Harry P., „Chonkón“ für Hongkong), so sagt man ihm am besten: Englisches oder deutsches „h“ klingt genauso wie das spanische „j“ (die „jota“) in Andalusien, also „Herr“ wie in „Heré“ (Jerez). Bei einigen spanischen Wörtern haben wir im Andalusischen für ein eigentlich stummes Anfangs-„h“ die Aussprache als deutsches „h“ (wie in „Hut“) oder schwaches „ch“, geschrieben „j“. So wurde aus dem „cante hondo“, dem „tiefen Gesang“ des Flamenco, der „cante jondo“, und aus dem Wort „huelga“ (Streik) hat sich die „juerga“(loses Treiben, wilde Feier) entwickelt. Die „huelga“ gibt es daneben natürlich auch. „Harto“ (genug, satt, überdrüssig) ist oft „jarto“.
Auch das harte kastilische „ch“ (gesprochen „tsch“) kling tim Andalusischen weicher: „noche“ (Nacht) nicht „notsche“, sondern etwa „noschje“. Das „d“ zwischen Vokalen oder am Wortende, das ja schon im Kastilischen ein stimmhafter Reibelaut (wie englisch „this“, „that“), also „weicher“ als unser deutsches „d“ ist, fällt meist weg, vor allem bei den Endungen „-ado“, „-ada“, „-ido“, „-ida“, „-odo“.  Wir hören „colorao“ für „colorado“, „salao“ für „salado“ (salzig, aber auch witzig, lustig. Río Salado!),. „mar salao“ (salziges Meer). Die drei typischen Vertreter bzw. Interpreten des Flamenco sind der „tocaó“ („tocador“, Gitarrist), der „cantaó“ („cantador“, Sänger) und der „bailaó“ („bailador“, Tänzer). Eine Frau ist „cantaora“ oder „bailaora“, seltener „tocaora“. Der „arrumbaó“ ist der „arrumbador“ (etwa Kellermeister). „-ada“ ird zu „á“: „una rosa colorá“ ist eine rote Rose („una rosa colorada“), „Graná” ist Granada, “ná” nichts (“nada”), “naíta“ ein „Nichtschen“ („nadita“, Verkleinerung von „nada“). In Conil gibt es, wie schon erwähnt,  eine Bar /Tasca „Er Quejío“, eigentlich „el quejido“, der Seufzer). „La vía“ ist „der Weg“, steht in Andalusien aber auch für „la vida“ (das Leben). „Tó“ kommt von „todo“ (alles, jeder), „toíto“ von „todito“ (alles). Das Andalusische liebt überhaupt die Verkleinerung, das Diminutiv, vor allem auf „-ito“, „-ita“, „-illo“, „-illa“.So wird aus „agua“ (Wasser) ein „agüita( gesprochen „aguita“, Wässerchen. Das muß kein russisches „Wässerchen“ –wodka- sein). Das End-„d“ fällt in der Aussprache meist weg: „verdá“ („verdad“, Wahrheit. “¿Verdad?” bedeutet “Nicht wahr?”), “ssiudá” (“ciudad”, Stadt), “salú” (“salud”, Gesundheit. “¡Salú!”, “Prost!”), “usté“ („usted“, Sie),  Madrí (Madrid).
Das „-ao“ und „á“  ist übrigens keineswegs auf Andalusien (oder zum Teil Hispano-Amerika) beschränkt. In der spanischen . In der spanischen Alltags- und Umgangssprache hört man genauso vom König wie vom Professor oder Losverkäufer ein „-ao“ anstatt „-ado“. Also „¿Dónde has estao?” (Wo bist Du gewesen), “Me he enfadao” (Ich habe mich geärgert), “mi cuñao“ (“mi cuñado”, mein Schwager), “ná“ („nada“, nichts). Im Gegenteil, ein überkorrektes „-ado“ wird als affektiert („cursi“) empfunden. So macht man sich im Witz über jemanden lustig, der besonders „fein“ sprechen will und Folgendes von sich gibt: „Vengo de la Plaza del Callado,  y mañana iré a Bilbado, donde se come buen bacalado“. Der Platz in Madrid heißt natürlich „Callao“ (nach der Hafenstadt in Peru), „Bilbado“ ist Bilbao und „bacalado“ ist „bacalao“.

Ganz charakteristisch wiederum für Andalusisch: Zum einen werden „l“ und „r“ am Wortende selten gesprochen. Zum anderen steht „r“ häufig für „l“. Also „señó” oder “zeñó” (“señor”), Er Parmá” (El Palmar), “er zó” (“el sol”), “la zá“ („la sal“, das Salz). Bei  diesen Beispielen kommt noch der “ceceo” hinzu. Besonders nett: “er zeñó Arcarde” („el señor Alcalde. Der Herr Bürgermeister) . Man liest (!) sogar: „Se arquila“ („se alquila“, Zu vermieten). „Prazuela“ ist die kastilische „plazuela“, „Uerva“ ist korrekt Huelva, Unser Nachbar Melchor „schrieb sich“ zwar so, war aber in der Familie „Merchó“, „Bartazá“ ist natürlich Baltasar, auch der von den drei Reyes Magos (Hl. Dreikönige). „Grabié“, außerdem ein Zungendreher, ist Gabriel.
-„b“ und „v“ sind im kastilischen Spanisch und auch andalusisch gleichwertig. Wie soll nun ein Andalusier ohne große Schulbildung wissen, wenn er nicht gerade das geschriebene Wort vor Augen hat, ob er nun „b“ („b de burro“) oder „v“ („v de vaca“) zu schreiben hat?  Einer unserer Nachbarn betreibt seit Jahren seine „Venta“, schreibt aber „Benta“.
-„ll“ und „y“ werden nicht wie im Kastilischen unterschieden. „ll“ wird fast immer als „y“ gesprochen: Ssewiya (Sevilla), „chiquiyo“  oder „quiyo“ („chiquillo“, eigentlich Kleiner), als Anrede sehr beliebt, fürs weibliche Geschlecht entsprechend „¡oye, chiquiya (quiya)!“.

Daß es wie bei jedem Dialekt eigene Wortprägungen für die Dinge des Alltags gibt, ist nichts Besonderes. In Madrid bestellt man eine „caña de cerveza“, in Andalusien einen „tubo“. Auch den „tinto de verano“ kennt man hierzulande mehr als anderswo. „Agua“ steht für „lluvia“ (Regen), „goma“ für „manga“ (Schlauch) usw.

Von einer eigenen Grammatik kann man beim Andalusischen nicht reden. Aber eine Besonderheit sticht ins Auge (oder eher „ins Ohr“?): die 2. Person Mehrzahl, also spanisch „vosotros/vosotras“ (deutsch „Ihr“) ist nicht so bekannt oder beliebt. D.h. es wird oft nicht zwischen „Ihr“ und „Sie (Mehrzahl)“ unterschieden. Man sagt zu einer Schar Kindern “¡Vengan ustedes aquí!” (anstatt “¡Venid aquí!“ Kommt her!)) oder „¡ Ahora váyanse ustedes  a la cama!“ anstatt “¡Ahora iros a la cama!”(Marsch ins Bett mit Euch!). Dieses Phänomen gilt für ganz Spanisch-Amerika. D.h. es gibt in der Einzahl „tú“ (Du. Am Rio de la Plata steht dafür fast ausnahmslos „vos“. Die Ausnahme ist ein bestimmtes Department in Uruguay, wo man auch „tú“ sagt. Aber dieser „voseo“ anstelle des „tuteo“, Duzen, ist ein Kapitel für sich), also es gibt „tú“ (Du) und „usted“ (Sie Einzahl). In der Mehrzahl keine Unterscheidung, sondern nur „ustedes“, das also „Ihr“ und „Sie“ heißen kann. In Andalusien kommt überdies bei vielen Sprechern, selbst bei „Studierten“ die Unsicherheit hinzu, wie man nun eigentlich sagt. Man hört dann „Vosostros ustedes sois alemanes, ¿ no?“ oder „Cuando ustedes estáis en casa“ für entweder „Cuando ustedes están en casa” oder “Cuando vosotros estáis en casa”. “¡Encontradse!” für “¡Encontraos!”.¡No hablad!” oder “¡No callad!” für “¡No habléis!”  bzw. “¡No calléis!”. Ich will das nicht so kompliziert darstellen, aber man sagt einfach so. Aber eine Parallele, besser gesagt ein Gegenbeispiel aus dem Deutschen will ich noch anführen: In manchen deutschen Landen unterscheidet man umgangssprachlich in der Mehrzahl zwischen „Ihr“ (Mehrzahl von Du) und „Sie“ Mehrzahl, sondern spricht eine Gruppe von Personen, die man als einzelne siezen würde, mit Ihr an.“Mögt Ihr noch etwas als Nachtisch?“ . Hierzu gehört auch die in einigen Gegenden immer noch anzutreffende Sitte, den Vater oder die Mutter zu „ihrzen“. „Wie geht’s Euch, Vater?“.

Bleibt zu hoffen, daß dieser Versuch einer zumindest groben Charakterisierung  der andalusischen Mundart zu deren Verständnis beiträgt, wenn auch nicht zum Verstehen all dessen, was wir so um uns herum hören. Und andalusisch zu sprechen  sollten wir erst gar nicht versuchen. Dialekte sollte man meiner Meinung nur dann nachmachen, wenn keiner in der Nähe ist, der den betreffenden Dialekt selbst spricht. Und: Ostfriesen-Witze sollten wir Norddeutschen, Ösi-Witze den Österreichern und Witze über die Andalusier und ihr Andalusisch allenfalls den spanischen „Nordlichtern“ überlassen. ¡Digo!

 


   
Erwin Penkert

Zur Person:

Erwin Penkert war Botschaftsrat, Dolmetscher für Spanisch und Portugiesisch sowie Arabist (Universitäten Madrid und Tunis). Jetzt ist er allerdings im verdienten Ruhestand und lebt in Conil de la Frontera.


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