

WIe die Mauren bauten
Das Geheimnis der weissen Dörfer
Text / Fotos : Andrea Hoffmann
COSTA DE LA LUZ. Tagein tagaus wandern Urlauber durch die Straßen von Vejer de la Frontera. Oftmals sieht man sie an offen stehenden Hoftüren fotografieren oder sich verstohlen in ein Patio schleichen. Wüssten sie doch zu gerne, was sich hinter den hohen weißen Mauern verbirgt und wie es sich in den alten Häusern leben lässt. Einlass in ein Privathaus finden jedoch nur wenige. Getreu der arabischen Lebensart, nicht jedem zu zeigen was man hat, bleiben die Familien zuhause gerne unter sich. Der interessierte Tourist kann meist nur darüber spekulieren, wie es im Innern der denkmalgeschützten Häuser aussieht
Konzept
Die weißen Dörfer in Andalusien basieren auf dem gleichen städtebaulichen Konzept. Auf einem Berg oder an einen Hang gebaut, gewähren sie große Sicherheit vor Angreifern. Am höchsten Punkt der Siedlung liegt das Castillo, die Burg, um die herum sich die Häuserreihen gruppieren. Eingefasst wird der Ort von einer Stadtmauer. Wie ineinander geschachtelt wirken die meist kubischen weißen Häuser mit ihren rot gestrichenen flachen Dächern. Vielerorts finden sich imposante Portale, die manchmal gar nicht zu den schlichten Bauten passen wollen. Sie sind, genau wie die riesigen hölzernen Türen, ein kleiner Ausdruck des Reichtums, den der Bauherr ansonsten hinter seinen dicken Mauern mit den kleinen Fenstern versteckt hielt. Sowohl die Architektur der Häuser als auch ihre Anordnung in engen Gassen, Mauer an Mauer, ist bedingt durch das Klima. Die Gebäude spenden sich gegenseitig Schatten und der Wind, der stets durch die Straßen weht, trägt seinen Teil zur Kühlung bei..
Maurisch oder Spanisch

Wer ein Plätzchen findet, das einen Blick von oben auf ein Weißes Dorf erlaubt, wird zwischen den wie Bauklötze wirkenden Häusern immer wieder Gebäude finden, die von einem Satteldach bekrönt werden. Heute sind diese Dächer die Ausnahme, doch früher waren sie die Norm. Ursprünglich hatten die Häuser ein Patio (Innenhof) von dem die Wirtschaftsräume abgingen. Über ihnen lagen die Wohnräume, die sich sämtlich im ersten Stockwerk befanden. Darauf ein Schräg- oder Satteldach, das auf einer Balkenkonstruktion ruhte. Die Innenseite dieser Dächer war mit gebrannten Tonkacheln verschlossen. Zimmerdecken gab es nicht. Die äußere Dachdeckung bestand aus halbkreisförmigen Ziegeln, den Ladrillos. Im Vergleich mit dem heute üblichen Flachdach verfügten die maurischen Häuser über deutlich höhere Räume. Das Verschwinden der Satteldächer ist wohl auf den Wohnraummangel zurück zu führen, der bis in die 70er Jahre hinein in Andalusien herrschte. In Vejer lebten mehrere Familien in einem Haus, teilweise mussten sie mit Kind und Kegel in einem Zimmer wohnen. Es gab eine gemeinschaftliche Küche und einen einzigen Abort für alle. Wer konnte, stockte auf oder baute an und versah seinen Neubau mit einem Flachdach, das sich als zusätzlicher Wirtschaftsraum nutzen ließ. Die Satteldächer verschwanden. Heute stehen die übrig gebliebenen unter Denkmalschutz und dürfen nicht verändert werden. Da ihre Restauration teuer ist, sind viele inzwischen verrottet oder zerstört.
Maurische Wohnräume
Das Leben im ersten Geschoss hatte nicht nur den Vorteil der Privatsphäre, es war auch durchaus praktisch. Durch die Stallungen im Erdgeschoss drang die Wärme der Tiere nach oben in die Wohnräume, was man durchaus als biologische Fußbodenheizung bezeichnen kann. Kamine hatten die Häuser nicht. Die Wände waren bis zu einem Meter dick, das hielt im Winter die Wärme und im Sommer die Kühle im Haus. Die Räume selbst hatten nur kleine Öffnungen. Winzige Fenster und Türen, durch die man nur in gebeugter Haltung eintreten konnte. Dies war zum einen dem Raumklima zuträglich, zum anderen hatte es aber auch den Zweck, beim Betreten des Zimmers das Haupt zu beugen und damit Achtung gegenüber dem Hausherren zu zeigen. Die Einrichtung der Räume war eher spärlich, was sich damit begründen lässt, dass die Wohnräume keine festgelegte Nutzung hatten. Man passte sich den Bedürfnissen an und nahm die Zimmer so, wie es gerade sinnvoll erschien. Darum umgab man sich mit kleinen, leichten Möbeln, die schnell umgestellt werden konnten. Beliebt waren Truhen, Teppiche, Klapptische, Sitzkissen und tragbare Herde.
Wohnen Heute
Durch die unzähligen Umbauten, die die alten Häuser im Laufe der Jahrhunderte erfahren haben, hat sich das Antlitz der weißen Dörfer verändert und damit oftmals auch die Lebensweise. Während der vergangenen Jahrzehnte wurden viele historische Gebäude von Ausländern aufgekauft und restauriert, doch dies geschah leider oft völlig nach gut Dünken. Ein original maurisches Haus sucht man heute vergeblich. Wer das Glück hat in einem wenigstens teilweise erhaltenen Gebäude zu leben, profitiert heute noch von der maurischen Art zu bauen. Die Raumtemperatur ist auch im Hochsommer erträglich und im Winter lassen sich die Zimmer relativ gut heizen. Ein Sattel- oder Schrägdach vermittelt Gemütlichkeit und die kleinen Fensteröffnungen erweisen sich als durchaus sinnvoll. Hinzu kommt, dass viele der alten Häuser durch ihre Hanglage phantastische Ausblicke gewähren, teilweise sogar bis nach Afrika.